Von Tannen- und Apfelbäumen

Reden, Reden, Reden,….Wenn unsere Generation eines gelernt haben sollte, dann ist es das. KOMMUNIKATION ist alles! Und trotz Uhren am Handgelenk, die uns sagen wie viele Schritte wir heute gegangen sind, leistbaren Therapeuten, die uns unser inneres Kind aufmalen und vermeintliche Kränkungen aus unseren ersten Lebensjahren als Erklärung für unser Handeln und Fühlen geben, Selbstfindungstrips, Generation Y-, Generation Z- und alles was danach kommt -Rechtfertigungen, obwohl wir alles auf Facebook ausdiskutieren, uns auf Instagram in Posen zeigen, die uns im realen Leben mega peinlich wären,…. Wir reden über alles, aber hören wir auch zu?

Meine letzte Beziehung ist (mit dem Wissen von heute) daran gescheitert.

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….und dann dacht ich so. Ne Anna! Das analysieren wir vielleicht nicht hier.

Deshalb lass ich den Teil aus und komm gleich zur Frage, die am Ende meiner Gedankenreise stand:

Wir alle sind geprägt von so viel. Von dem Zeitpunkt und dem Ort an dem wir geboren werden (und JA, ich glaube an ASTROLOGIE). Von der Lebenssituation unserer Eltern, unserer Vorfahren und nicht zuletzt von den Erfahrungen, die sie gemacht haben und die wir jeden Tag machen.

Beziehungen sind schräg. Egal ob zu sich selbst, zu Freunden, Familie oder einem Partner. Am Ende treffen Persönlichkeiten, und Erwartungen aufeinander. Man muss, man soll, andere machen das doch auch, bei anderen funktioniert es doch auch, das musst du doch wissen, das hätte ich nicht von dir erwartet, ich dachte das ist klar…… Nix ist klar.

Sag 10 Menschen, sie sollen sich einen Baum vorstellen und du wirst vom Apfel- bis zum Tannenbaum alle Varianten sehen.

Logo. Warum soll auch die eigene Vorstellung die “richtige” sein. Und was ist überhaupt richtig?

Ich sage nicht, dass ich das selber immer hinkriege (ich kenne jemanden, der das hier liest und sich genau das jetzt denkt:-)) I KNOW! Aber Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich… usw…

Ist das das Ergebnis von Individualität, Emanzipation und Selbstreflexion? Sind wir alle so sehr mit unserem inneren Frieden beschäftigt, dass wir vergessen, dass es auch eine Welt da draußen gibt, ein Gegenüber, das seinen eigenen Rhythmus hat? Sind wir uns selber so nah, dass da gar kein Platz mehr ist für andere?

Ich war in den letzten Wochen so sehr damit beschäftigt was mich gerade beschäftigt, dass ich vieles um mich herum vergessen habe. Menschen enttäuscht habe, die mich gebraucht hätten und von mir selber so genervt war, dass ich mir fast die Freundschaft gekündigt hätte.

Vielleicht ist doch etwas dran, an Ronald Pursers Meinung zu mindfullness und seinen Tücken. Ob es fatal ist, alles Leid in sich selbst zu suchen und die äußeren Einflüsse völlig auszublenden. Ich starte meine Yoga-Klassen meist mit Stille. Erstmal runterfahren. Das Wirrwarr im Kopf beruhigen. Und dann sag ich ganz oft diesen Satz: “Egal was eben noch war, egal was später sein wird. Jetzt bist du hier. Jetzt machst du Yoga. Alles andere ist für diesen Moment nicht relevant.” Ja. Stimmt. Aber ist es irgendwie halt doch. Denn alles was wir sind, sind wir ja auch bedingt durch unsere Umwelt. Und führt es nicht zum Stillstand, wenn wir glauben alles mit uns selbst ausmachen zu können? Sie schweift ab - ich glaub das braucht einen eigenen Beitrag. Also zurück zum Anfang:

“You are not a drop in the ocean. You are the entire ocean in a drop.”

— RUMI

Der BIG BANG Theorie nach, war unser Universum am Anfang auf einen einzigen Punkt konzentriert. Materie, Zeit, Alles war in einem Punkt zentriert und begann sich von da an auszudehnen - und tut es bis heute. Jedes Teilchen war also eins mit allen anderen Teilchen. Wir alle haben also den gleichen Ursprung. Verdammt, und da denken wir alle wir sind so anders als alle anderen. Alles relativ. In Christopher Nolans INTERSTELLAR wird Matthew McConaughey plötzlich bewusst, dass eine Stunde bei ihm, 7 Jahre auf der Erde bedeuten. Alles eine Frage der Perspektive. Eine Freundin von mir bereist gerade die Welt. Wenn es bei mir 7 Uhr morgens ist geht sie gerade schlafen. Was ist denn jetzt richtig? Was ist echt?

Im Yoga sucht man nach dem “wahren Selbst” also dem, was drunter liegt unter den vielen Schichten an Erfahrungen und Prägungen. Spannend. Manchmal auch echt anstrengend! Und gar nicht so leicht. Aber wen auch immer man da findet, wenn man den oder die oder das mal gefunden hat, sich bekannt gemacht hat und vielleicht sogar anfreundet, dann versteht man manches besser. Das hat etwas beruhigendes. Und dann schaut man auch anders auf das was drum herum passiert. Bei sich sein ist gut. Auf sich hören und aufpassen ist gut. An sich selbst zu arbeiten ist gut und sich Zeit für sich nehmen ist sogar sehr gut. Aber Augen und Ohren auf im Straßenverkehr. Wir alle sind am Ende eins. Und vielleicht suchen andere da draußen auch nur sich selbst.

Ich behaupte, die Welt wäre eine bessere, würden alle Menschen Yoga machen. Nicht weil sie mehr bei sich selber wären sondern weil sie mehr beieinander wären. Die Tannen- und Apfel- und Kirschbäume.

Alles wird gut.

Titelbild ©Benjamin T. Ono

Anna Hacker